Arbeitszeitverkürzung. Neue Perspektiven aus den Kämpfen entwickeln

Bernd Riexinger im Gespräch mit Harry Adler "LUXEMBURG"

 

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Bernd Riexinger im Gespräch mit Harry Adler "LUXEMBURG"

Eine wesentliche Erscheinung der Krise der Reproduktion zeigt sich in der Organisation der Zeit, nicht zuletzt der Arbeitszeiten. Wie siehst du die Probleme? Und was sind gewerkschaftliche Strategien darin?

Eine gewerkschaftliche Strategie zur Arbeitszeitverkürzung existiert derzeit nicht; zwar gibt es einzelne Versuche, der Entgrenzung der Arbeitszeit entgegen zu wirken, aber von einem gewerkschaftlichen Konzept zur Arbeitszeitpolitik lässt sich kaum sprechen. Das wäre jedoch dringend notwendig, denn die Regulierungsfähigkeit der Gewerkschaften ist in dem Bereich dramatisch erodiert. Grob haben wir es mit drei Tendenzen der Deregulierung zu tun:

1| Der Entgrenzung der Arbeitszeit, insbesondere bei den qualifizierteren Tätigkeiten und im Angestelltenbereich. Hier wird – befördert durch die vor über 20 Jahren eingesetzte Flexibilisierung der Arbeit und durch Methoden der indirekten Steuerung – die tatsächliche Arbeitszeit verlängert. Dieser Prozess ist weitgehend individualisiert und tariflicher oder betrieblicher kollektiver Regulierung entzogen. Anhäufung von Gleitzeitstunden, nicht bezahlte Arbeit, ständige Erreichbarkeit, Unterordnung unter die betrieblichen Arbeitsschwankungen: Immer mehr Beschäftigte leiden unter dieser permanenten Leistungsüberforderung. Insbesondere die psychischen Erkrankungen nehmen zu und eine wachsende Zahl von Beschäftigten klagt über Dauerstress, Burnout und dass sie Privat- und Berufsleben kaum in Einklang bringen können. Überlastungsund Stresserscheinungen stellen wir auch massenhaft im Gesundheitswesen und in der sozialen Arbeit fest.

Heft 14 4/2012